ie Gewinner der 2. Heckenmeisterschaft mit ihren Familien.
22.08.2020

Ein Stück Wildnis in einer geordneten Landschaft

Nachdem Umweltschutzorganisationen jahrelang Blumenwiesen ausgezeichnet hatten, prämierten sie nun – zusammen mit dem St. Galler Bauernverband - zum zweiten Mal wertvolle Hecken. Diesmal stand der St. Gallens Süden im Zentrum. In der Mensa des Landwirtschaftlichen Zentrums Salez wurden vergangenen Samstag die Preisträger erkoren. Sie leisten einen wertvollen Beitrag für die Artenvielfalt.

Daniel Schlegel hat ein kleines Paradies eingerichtet. Und in einem Paradies hat auch die Natur ihren Platz. Zumindest bei Daniel Schlegel hoch über dem Walensee in Walenstadtberg. Der Hof liegt auf dem Wanderweg zwischen Quinten und Walenstadt. Die Südlage im Schatten der mächtigen Churfirsten verhindert das Eindringen frostiger Nordwinde. Es ist ein Klima für Trockenheit und Wärme liebende Heckenpflanzen. Die an der Heckenmeisterschaft mit dem ersten Preis ausgezeichnete Hecke ist zwar nur 80 Meter lang, aber über zehn Meter breit mit vielen Nischen, sonnigen und schattigen kleinen Flächen. Die von Daniel Schlegel selber gepflanzte Hecke ist sehr artenreich. Hier wachsen viele Schutz bietende Dorngewächse. Auch der wollige Schneeball, Mehlbeeren, Elsbeeren, Kornelkirschen und viele andere Arten gedeihen hier. In seiner Laudatio lobte Martin Zimmermann, vom WWF den ausgezeichneten Zustand der Hecke. Daniel Schlegel meinte: „Viele Kollegen sagen mir, ich solle die Geissen reinjagen. Die würden aufräumen. Das würden sie tatsächlich, deshalb muss ich die Hecke vor den Tieren schützen. Aber sie macht mir extrem Freude. Ich sehe jeden Morgen wie sich dort Leben entfaltet.“

Während die auf 900 Meter liegende Hecke schon fast in einer alpinen Umgebung wächst, liegt der schmale sehr lange und deshalb für die Vernetzung extrem wichtige Heckenstreifen der Familie Glaus mitten in der Linthebene bei Schänis. Was die Hecke wertvoll und für den zweiten Rang auszeichnungswürdig macht, ist nicht nur die Länge von mehr als 200 Meter: das artenreiche Band findet auf der anderen Seite der Bahnlinie seine Fortsetzung. Der an Dornengestrüpp reiche Heckenstreifen wächst entlang eines Entwässerungskanals. Bauernverbandsvertreter Fredi Mosberger hob in seiner Würdigung besonders den Wert der Vernetzung, die Länge und Breite, sowie die Artenvielfalt hervor. Zu den Pflanzenarten in der Hecke gehören Vogelbeeren, Haselnusssträucher und Nussbäume, Hainbuche, Wildrosen, Linguster, Hartriegel, Schwarz- und Weissdorn, Holunder und viele andere Pflanzen. Die Vernetzung ist deshalb wichtig, weil Wildtiere innerhalb eines solchen Heckenstreifens in guter Deckung ein dicht besiedeltes Gebiet wie die Linthebene durchqueren können. Und sie finden hier Nahrung.

Chance für Nischenproduktion

Simon Zeller vom Amt für Jagd und Fischerei vertat die St. Galler Regierung. In seiner kurzen Ansprache bezeichnete er die Hecken als besonders wichtiges Element in der Landschaft. „Sie sind ein Stück Wildnis inmitten der geordneten Landschaft. Deshalb sind sie für die Biodiversität wichtig. Wir freuen uns deshalb, hier die positiven Seiten der Landwirtschaft herausstreichen zu dürfen.“ In den letzten Jahrzehnten ist das Schweizer Mittelland buchstäblich ausgeräumt worden. Umso wichtiger sind ökologische Nischen wie die Hecken. Deshalb haben sich auch WWF, Pro Natura, der Bauernverband St. Gallens, das kantonale Amt für Natur, Jagd und Fischerei, sowie der Fonds Landschaft Schweiz zusammengefunden und die Heckenmeisterschaft ausgerichtet. Über 30 Teilnehmer beweisen, dass das Interesse auch von Seiten der Landwirtschaft vorhanden ist.

Auch wenn Pro Natura und WWF mithelfen, neue Hecken anzulegen, liegt es doch an den Bauern, die Hecken auch zu pflegen. Diese Zeit investiert auch Andreas und Lukas Sprecher auf dem Grabserberg, die ebenfalls den 2. Platz erreichten. Seine Hecke ist über 150 Meter lang und zwischen vier und sechs Meter breit. Sie liegt auf rund 800 Meter über Meer. Die Kirschessigfliege ist hier oben beim Holunder und anderen Wildobstarten, kein Thema. Die Nutzung des Wildobstes in den Hecken wäre auch eine Chance für die Bauern, sie kommerziell ein wenig zu nutzen. Auf jeden Fall sind sie aber ein Hort der Biodiversität und bieten auch Vögeln und Kleinsäugern Unterschlupf und Nahrung. So zum Beispiel Sanddorn, Kornelkirschen und viele andere Früchte. Voij Pavlovic, der während vielen Jahren am Landwirtschaftlichen Zentrum unterrichtete, lobte in Sprechers Hecke die vielseitige, ökologisch wertvolle Struktur, die als Krautsaum zusätzlich eine artenreiche Magerwiese aufweist. Vater und Sohn bewirtschaften den Hof gemeinsam. Voji Pavlovic: „Beide kennen ihre Pflanzen und wissen genau, was eine Hecke braucht. Sie blicken weit über die rein landwirtschaftlichen Aspekte hinaus.“

Eine Hecke gibt auch Arbeit

Den dritten Platz errang Andreas Büsser. Er bewirtschaftet 26 Hektar und verfügt nochmals über 4,5 Hektar Alpland. Der Biobetrieb in Goldingen liegt auf rund 800 Meter über Meer. Büsser konzentriert sich auf die Rinderzucht, verfügt aber zudem über 140 Hochstammbäume. In der Nähe des Hauses wachsen an einem Wiesenabhang Heckenpflanzen. Die Pflanzung geht auf Bernd Strasser und die WWF-Regionalgruppe See und Gaster zurück, sowie dem damaligen Landbesitzer Anselm Artho zurück. Die Hecke hat eine trapezartige Form, die sich Richtung Osten zuspitzt. Sie ist rund 15 Jahre alt. Hartriegel, Hasel, Pfaffenhut, Wildrosen, wolliger Schneeball Holunder, Liguster, Weinreben, Vogelbeeren, Kornelkirschen und viele andere Pflanzen haben sich gut etabliert und fühlen sich sichtlich wohl. Andreas Büsser sagte aber auch auf die Laudatio von Corina del Fabbro von Pro Natura: „Natürlich habe ich den Plausch, wenn die Hecken blühen, wenn Vögel drin sind oder wenn ich Eidechsen sehen. Aber ich habe sie letzten Winter durchforstet und das gab ziemliche Arbeit.“

Den vierten Platz teilen sich Andreas Kindlimann und Walter Good. Letzterer bekommt die Auszeichnung für eine Hecke entlang des Feerbaches im Grenzgebiet zwischen Wangs und Pizol. Sie ist zirka 150 Meter lang. 25 Arten gedeihen hier. Doch im Winter setzen ihr rund 70 Hirsche aus dem Pizolgebiet regelmässig zu, wenn sie auf Futtersuche ins Tal kommen. Kindlimann wirtschaftet in Wald ZH, aber auf St. Galler Boden. Hof und Hecken liegen auf fast 950 Meter über Meer. Bei Hecken ist die Verwendung des Plurals bewusst gewählt. Denn eigentlich gedeihen hier Heckenpflanzen auf einer Länge von 1,5 Kilometer. Das angemeldete Stück ist zwischen 200 und 300 Meter lang. Sie ist gut vernetzt und mit der Pflanzung von Edelkirschen und Edelkastanien schafft Kindlimann auch einen sinnvollen Übergang ins Wirtschaftsland.

 

Auskunft zur Heckenmeisterschaft im Kanton St. Gallen erteilt:

Dr. Alfred Brülisauer
Beratungsbüro Ökologie + Landschaft
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077 447 44 40